30.5.16

Ein Lob dem Alltäglichem

Letzte Woche war ich unterwegs in ein kleines Dörfchen hier in der Prignitz. Dort traf ich mich mit netten Leuten, es gab lecker Essen – was will man mehr! Auf der Rücktour bin ich relativ langsam nach Hause gezuckelt und habe mich endlich einmal in Ruhe umgesehen. Schließlich waren während der halben Stunde Fahrt neben mir nur noch ein Traktor und zwei weitere Autos auf der Straße. So war es ohne Probleme möglich mal gemütlich mit 50 km/h oder weniger durch die Landschaft zu schleichen.

Während ich mich so umblickte, ist mir aufgefallen, wie schön unsere Gegend doch eigentlich ist. Nicht spektakulär schön, sondern eher lieblich herb. Es ist eine Schönheit auf den zweiten Blick. Vielleicht erschließt sie sich nicht gleich, weil sie eben nicht mit lauten Worten wie ein Marktschreier daherkommt. Die Prignitz ist eher ein sanftes Mauerblümchen, dass seine Kopf gesenkt hat, weil es glaubt, keineswegs mit den anderen Gegenden mithalten zu können. Meist sind es aber nicht die schrillen, auffälligen Dinge, die unser Herz für eine längere Spanne berühren. Das Leise, das Eindringliche - das ist es, was in Erinnerung bleibt.

Sind wir mal ehrlich, sein Zuhause würdigt viel zu selten. Wir verbringen unseren Urlaub in Frankreich, Österreich, Tschechien, Dänemark ... Wir klettern auf Berge, kriechen in Höhlen, baden im Meer oder liegen am Strand. Das ist alles toll und soll auch so sein. Schließlich gilt für alle Zeiten: Reisen bildet.

Aber widmen wir dem Täglichen, dem Alltäglichen nicht oft zu wenig Aufmerksamkeit? Hat es nicht mehr verdient, als dass man es einfach nicht mehr wahrnimmt?

Solche und ähnliche Gedanken beschleichen mich, während ich langsam durch die Landschaft fahre. Ich halte hier an, mache da ein Foto und freue mich an den Ausblicken. Sanft gewelltes Land mit Wald und Feldern. Inseln voller Büsche und Bäume darin. Grün, Grün und nochmals Grün. Manchmal scheint die Gegend geradezu endlos. Der Horizont lockt mit zweifelhaften Versprechungen. Alles ist möglich. Die Alleen fordern zum Fahren auf, aber ich will verweilen. Nur schwer kann ich dem Verlangen wiederstehen über die Felder zu laufen und in den Wald zu desertieren. Heute ist so ein Tag, an dem man alles hinter sich lassen möchte.

Und weil das Wetter leicht diesig ist, hat alles um mich herum so einen unmerklichen Schimmer der Vergänglichkeit. Die etwas trübe Witterung hat noch einen weiteren Vorteil. Es lässt die ungeliebten Windkraftanlagen in den Wolken verschwinden. Sie stören ausnahmsweise mal nicht, und könnten mir fast Leid tun. Ich bin hier unten inmitten von tausend Nuancen einer grünen Welt. Für sie bleibt nur das Grau. Tja – man kann nicht alles haben.

Und weil mich dieser Tag so poetisch gestimmt hat, ende ich mit einem ebensolchen Spruch:

In der Wildnis finde ich etwas Wertvolleres und Verwandteres
als auf den Straßen und in den Dörfern.
In der ruhigen Landschaft, und besonders
in der weit entfernten Linie am Horizont,
erblickt der Mensch etwas,
das so schön ist wie seine eigene Natur.

Ralph Waldo Emerson







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