27.10.18

Der Albtraum

Es passiert schon wieder! Irgendetwas packt mich grob im Genick und wirft mich in eine dunkle Kiste. Der Boden schwankt, denn sie wird hochgehoben und unsanft auf die Ladefläche eines Autos geschleudert. Das Fahrzeug setzt sich in Bewegung. Ich weiß, was jetzt kommen wird und verkrieche mich panisch in einer Ecke der Kiste. Aber das nützt nichts. Auch das weiß ich, aber ich mache es trotzdem. Jedes Mal wieder. Dann halten wir an. Vielleicht hatte ich die Hoffnung, dass die Fahrt ewig dauern könnte. Aber auch das bleibt eine Illusion.

Der Deckel der Kiste öffnet sich und man schüttet mich kopfüber in ein dunkles Loch. Das kenne ich. Hier war ich schon. Und nicht nur einmal. Es riecht nach Angst, Urin und Verzweiflung. Ein Teil des Gestankes ist von mir. Ich kann aber auch die Ausdünstungen eines Anderen erkennen. Ein Leidensgenosse? Es ist sinnlos, sich darüber Gedanken zu machen. Er hat genau so wenige Chancen wie ich, aus diesem Albtraum zu entkommen. Und weil ich weiß, was jetzt passieren wird, kaure ich mich in die hinterste Ecke dieses widerlichen Gefängnisses. Ich will es nicht, aber ich merke wie sich meine Blase entleert. Jetzt sitze ich in meiner eigenen Pfütze. Doch ich habe keine Zeit, mich vor mir selber zu ekeln.

Er kommt! Ich höre meinen Peiniger schnaufen und knurren. Er kann meine Angst riechen und nähert sich mir mit geiferndem Gebrüll. Kurz bevor er seine Zähne in mein Fleisch schlagen kann, stoppt ihn ein Gitter. Das macht ihn noch viel wütender. Ich kann seinen Atem spüren und sein Speichel spritzt mich an. Wenn das Gitter nicht wäre, würde er mich zerreißen! Wie immer habe ich Angst, dass es nicht hält. Mein Herz klopft, als wolle es zerspringen. Voller Panik schließe ich die Augen.

Auf einmal ist alles vorbei. Mein Widersacher scheint sich in Luft aufgelöst zu haben. Nur noch von weiten höre ich sein Protestgeschrei. Man packt mich, stopft mich erneut in die Transportkiste und wir fahren zurück. Dort wirft man mich in meinen altbekannten Käfig und überlässt mich meinen widerstrebenden Gefühlen. Ich weiß, momentan bin ich in Sicherheit. Ich bin gefangen, aber nicht in unmittelbarer Gefahr. Jetzt ist Zeit, dass ich mich ausruhen kann, sagen sie. An ihrem Grinsen erkenne ich, dass sie bald wieder kommen werden, um mich erneut zu holen.

Ich verkrieche mich in der hintersten Ecke meiner Hütte, rolle mich zusammen und versuche zu schlafen. Wenn ich es mir ganz doll wünsche, wache ich vielleicht nie wieder auf, weil mein Herz einfach stehen bleibt.

Auszug aus dem Tagebuch eines Fuchses, der in einer Schliefenanlage zum Abrichten von Hunden benutzt wird.


P.S. Die Schliefenanlage des Pritzwalker Jagdvereins befindet sich in Streckenthin und die Füchse "erholen sich von ihrer Arbeit" im hiesigen Streichelzoo.


Bildquellenangabe:Renate Tröße  / pixelio.de

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